Gut - Aber Wirklich Gut Genug?

Eine Veröffentlichung von IMD und dem Swiss Economic Forum

GUT – ABERWIRKLICH GUT GENUG? Schweizer Unternehmerinnen und Unternehmer diskutieren die Bewältigung der Corona-Krise und wie die Zukunft der Schweizer Wirtschaft aussehen wird

In Kooperation mit:

Inhaltsverzeichnis

04 Resilient? Ja, sicher. 12 Leadership: Wecke die Kräfte in deinem Team 18 Wieviel Staat soll es sein? 22 Hilft Familie in der Krise?

26 Schnell mit frischen Ideen aus der Corona-Krise 32 Schneller und wendiger 40 Die Zukunft ist düster – aber nicht für uns 44 «Wir müssen uns noch viel stärker mit den Kundenbedürfnissen auseinandersetzen!»

Zusammenfassung

Die Corona-Krise stoppte zwar die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tätigkeiten in der Schweiz. Sie weckte gleichzeitig die Energie, Kreativität und die Innovationskraft vieler Menschen. Das Land hat die erste Phase der Corona-Krise gut gemeistert. “ Wir können Corona ” , behauptete Bundesrat

Interaktiv wollten die beiden Organisationen den Dialog zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern, aber auch Vertreterinnen und Vertretern von Politik und Universitäten auch in diesen konferenzfreien Zeiten aufrecht erhalten. SEF.Interaktiv setzt sich zum Ziel, die aktuellen Herausforderungen durch den Lockdown zu analysieren. Über 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des SEF nahmen sich im Frühsommer Zeit, in virtuellen Gruppen zu diskutieren, ihre Erlebnisse während der Krise zu schildern und Lösungsansätze zu formulieren. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schauten dabei vorwärts und machten Vorschläge, wie die Schweiz künftige Krisen besser bewältigen kann: Mit Investitionen in die Bildung, in digitale Technologien, mit agileren Unternehmen und einem flexibleren Staat, der zum Beispiel nicht nur physische

Grenzen hat, sondern auch virtuelle Regionen über die Staatgrenzen hinaus, um Pandemien besser bekämpfen zu können. Sie gingen auch der Frage nach, ob sich Familienunternehmen besser halten in Krisen (Antwort: Ja, aber…) und wieviel Staat es braucht (Antwort: Genug, aber nicht zuviel…). Sie diskutierten, was echte Kundennähe bedeutet (Antwort: Schneller und zuverlässiger sein als die Konkurrenz) und was Leadership in Krisen wirklich heisst (Antwort: Viel Kommunizieren). Und ganz wichtig: Die Mitarbeitenden ermächtigen! Das Fazit: Ja, die Schweiz ist (vorläufig) gut aus der Krise gekommen. Aber wir können das noch besser. Das hier vorliegende Papier fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen. Ergänzt wurden die Diskussion mit einer Umfrage zu den aktuellen Themen unter allen Teilnehmenden. Die Resultate finden sich ebenfalls in diesem White Paper.

Alain Berset stolz nach dem Ende des Lockdowns. In der Tat: Die Schweiz und ihre Wirtschaft hat sich erstaunlich robust erwiesen gegen die seit dem Zweiten Weltkrieg nie dagewesenen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in der Schweiz. Zugleich zeigten sich jedoch auch Schwächen der hiesigen Wirtschaft. Als Teil einer globalisierten Ökonomie war auch sie nicht gefeit vor den Folgen der gegenseitigen Abhängigkeiten: Lieferketten wurden unterbrochen, Lücken in der Digitalisierung entdeckt, dünne Kapitaldecken offenbart. Wie können wir aus der Krise besser rauskommen als wir reingegangen sind, war die Grundfrage einer in Kooperation mit IMD spontan entstandenen Initiative des Swiss Economic Forum. Unter dem Namen SEF.

04 Resilient? Ja, sicher.

Die Optimistischen: Die Krise hat auch positive Aspekte, findet Ursula Nold, Präsidentin des Migros-Genossenschaftsbundes Die Migros wolle die Krise nicht bloss meistern, sondern die Covid-Krise auch zum Anlass für neue Entwicklungen nutzen. Auch der Wirtschaftschef der NZZ Peter A. Fischer ist überrascht, wie beherzt der Bundesrat in dieser Krise reagiert habe und sieht durchaus “Grund für gewissen Optimismus”. FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen lobt die Agilität, die die Schweizer Unternehmen, gerade auch die KMUs, gezeigt hätten. Katharina Lange, Professorin für Leadership am IMD, sah gar einen “Sully-Moment” (siehe Box), wie die Schweiz im Lockdown reagierte: “Die Krisenbewältigung der Schweiz war bewundernswert!” Die Skeptischen: “Es kommt drauf an, in welcher Branche man tätig ist”, mahnen sie, nicht alle hätten gute Momente erlebt. In der Tat: Wo zum Beispiel Vertreter der Sportartikel-Branche wie zum Beispiel Fahrradhändler mit den Lieferungen kaum nachkommen, können auf der anderen Seite der Skala die Veranstalterinnen und Veranstalter von Events nur frustriert auf ihre seit Monaten und auch künftig fast leeren Säle und Hallen starren. Die Schweiz hat in einer ersten Phase die Krise gut gemeistert. So sahen es die meisten Panelistinnen und Panelisten von SEF.Interaktiv. Allerdings mit Einschränkungen, insbesondere bei den Lockerungsschritten. Ein Grund für die gute Performance ist die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit von vielen Schweizer Unternehmen und insbesondere auch ihren Mitarbeitenden. Das sagen die Experten. Allerdings ist einigen Unternehmerinnen und -unternehmern aus dem Kreis des SEF diese Einschätzung zu optimistisch. Sie zeigen auf die grossen Unterschiede je nach Branche und fürchten die Effekte einer zweiten Welle.

Resilient? Ja, sicher.

5

Das positive Grundgefühl ist jedoch nicht falsch. Die wirtschaftliche Aktivität in der Schweizer Wirtschaft erreicht anfangs Juli bereits über 93 Prozent des durchschnittlichen Niveaus der vergangenen drei Jahre. Das zeigt eine Analyse von Echtzeitdaten der Genfer Privatbank Lombard Odier. Die Bank analysiert dabei Zahlen aus sieben Kategorien: Importe, Exporte, Mobilität, Detailhandel, Lebensmittelverbrauch, Anwesenheit am Arbeitsplatz und Luftverschmutzung in der Produktion. Zusammengenommen ergebe dies ein aktuelles Bild über den Stand der Erholung der Wirtschaft im Vergleich zum Durchschnitt der drei Jahre vor der Krise. Und auch das vom Bund mit den Banken in “Sully ” -Manier, nämlich blitzschnell, auf die Beine gestellte Notkredit-Programm wird deutlich weniger genutzt als erwartet. Offenbar brauchen die Unternehmen nicht soviel Notkapital wie gedacht.

6

Resilient? Ja, sicher.

Doch was ist der Grund für diese Resilienz der Schweizer Wirtschaft?

Einerseits habe die Schweizer Regierung im März schnell und entschieden gehandelt, sind sich alle Beteiligten einig. Zudem seien gute Strukturen vorhanden. Die Kurzarbeit etwa als stabilisierendes Element in der Krise hat sich bewährt. Das oben erwähnte Notkredit-Programm erhält ebenfalls viel Lob. Dies als Beispiel wie Wirtschaft – in diesem Fall die Banken – und Politik in der Krise gut zusammenarbeiten. Zudem ist der Staat nur leicht verschuldet, hat über die letzten 20 Jahre gar Schulden abbauen können. So sei die Ausgangslage schon mal gut gewesen. Auf der anderen Seite habe sich die Wirtschaft ebenfalls grösstenteils als stark und widerstandsfähig erwiesen. Und schliesslich seien es auch “weiche ” Faktoren gewesen, die in schwierigen Zeiten geholfen haben. So hätte die Krise viele Menschen zusammengeschweisst, bemerkt etwa Ursula Nold. Albrecht Enders, Professor für Strategie & Innovation und zugleich Mitglied

der Geschäftsleitung des IMD, bringt dabei eine Aussensicht rein: Für ihn als Deutscher sei es faszinierend, wie die Schweizerinnen und Schweizer über alle Schranken und Kreise hinweg pragmatisch und Scheuklappen-frei nach Wegen aus der Krise suchen. Es sei ein Privileg, hier leben und arbeiten zu können, was Katharina Lange nur bestätigen kann. Den positiven Grundton, wenn auch mit Einschränkungen, bestätigt auch die Umfrage unter allen Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli. Obwohl ein Drittel der Befragten Umsatzeinbrüche von 20 bis 50 Prozent erlebt hat und weitere 20 Prozent sogar mehr als die Hälfte ihres Geschäfts im Lockdown verloren hatten, sahen fast die Hälfte nach dem Ende des Lockdowns positiv in die Zukunft. Zugleich aber – und das bestätigt die geteilte Ansicht der Situation unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmer an SEF.Interaktiv – rechnen 30 Prozent mit einer düstereren Zukunft.

Resilient? Ja, sicher.

7

LEARNINGS

Die Strukturen in Staat und Wirtschaft in der Schweiz sind gesund.

In Krisen stehen hier die Menschen aus allen Bereichen zusammen.

Die Krise trifft Branchen und Unternehmen ganz unterschiedlich.

Wie stark hatte der Lockdown einen Einfluss auf Ihren Umsatz?

30%

Keine Reduktion, kein Aufschwung

34%

Reduktion des Umsatzes von 20 - 50%

14%

Reduktion des Umsatzes von 50 - 75%

14%

Steigerung des Umsatzes um 10 - 25%

8%

Reduktion des Umsatzes über 75 %

50%

0%

25%

75%

100%

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

8

Resilient? Ja, sicher.

Wie schätzen Sie die wirtschaftliche Zukunft der Schweiz in den nächsten 12 Monaten ein?

48%

Neutral

41%

Negativ

11%

Positiv

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

Wie schätzen Sie Ihre eigene berufliche Zukunft in den nächsten 12 Monaten ein?

7%

39%

36%

18%

Eher negativ

Eher positiv

Positiv

Neutral

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

Resilient? Ja, sicher.

9

Flashlight: Sully

• 15. Januar 2009 • US-Airways Flug 1549

10

Resilient? Ja, sicher.

Am 15. Januar 2009 startet in New York der US-Airways Flug 1549. Am Steuer des Airbus 320 sitzt Chesley Sullenberger, genannt Sully. Sully ist ein erfahrener Pilot mit über 20 000 Flugstunden. Kurz nach dem Start fallen durch Vogelschlag beide Triebwerke aus. Sully muss innert Sekunden entscheiden, ob er die noch im Steigflug befindliche Maschine sicher zurück zum Airport bringt oder ob er eine Notlandung riskieren soll. Das Leben von über hundert Menschen hängt von dieser Sekunden-Entscheidung ab. Er beschliesst, auf dem Hudson River zu landen, weil er nicht glaubt, dass es der Flieger zurück auf die Rollbahn schafft. Die Landung gelingt, alle 155 Passagiere kommen ohne grösseren Schaden davon.

Resilient? Ja, sicher.

11

12

Leadership: Wecke die Kräfte in deinem Team

Für die SEF.Interaktiv-Teilnehmerinnen und - teilnehmer ist eines der entscheidenden Themen in einer Krise Leadership: Nicht, dass Führung in guten Zeiten trivial sei, aber Führung in der Krise sei ganz entscheidend. Was bedeutet das? Man müsse unglaublich nahe an der Front sein, um die kleinen Krisen in der grossen Krise sofort bewältigen zu können, sagt eine Teilnehmerin. Die Mitarbeitenden erwarteten Vorgaben, in welche Richtung es gehen soll in solchen Momenten. Man müsse Ruhe ausstrahlen, um Sicherheit zu geben in unsicheren Zeiten.Es sei hier entscheidend, überzeugend zu kommunizieren. Das sagt auch MGB- Präsidentin Ursula Nold. Wobei sie noch etwas Weiteres hervorheben möchte: Die Krise habe die Selbstwirksamkeit der Mitarbeitenden gestärkt: Mitarbeitende trugen Selbstverantwortung, Entscheide

dezentral gefällt und die Zusammenarbeit gefördert. Gut durch die Krise gekommen sind jene, die sich auf gute Partnerschaften stützen konnten. Das sehen viele SEF-Teilnehmerinnen und - Teilnehmer auch so: Es sei gut gewesen, Verantwortung an Teams intern weiterzugeben und die Mitarbeitenden machen zu lassen. Da sei viel Energie vorhanden gewesen, die man habe nutzen können. Gute Partnerschaften sind jedoch nicht nur mit Mitarbeitenden wichtig, sondern auch mit Kunden. Viele bei SEF.Interaktiv erzählen von ihren grossen Anstrengungen, mit ihren Kundinnen und Kunden in Kontakt zu bleiben, gerade jetzt, gerade in solchen Krisen- situationen. Gute Beziehungen hätten sich nicht nur bewährt, sondern seien sogar über sich hinausgewachsen, schnell und pragmatisch.

Ursula Nold unterstreicht diese Entwicklung aus Sicht der Migros: Die Krise hat die Menschen zusammengeschweisst. Einerseits sei intern intensiv gearbeitet worden, zum Beispiel in der Migros-Industrie und der Logistik, um die Schweizer Bevölkerung mit Lebensmittel und Gütern des täglichen Bedarfs versorgen zu können. Sie habe ein unglaublich hohes Engagement der Mitarbeitenden gesehen. Zudem habe man auch einen starken Trend zu lokalen und regionalen Produkten gesehen, weil die Menschen solidarisch mit einheimischen Produzenten sein wollten. Auch die Migros habe von Seiten der Kundinnen und Kunden hohe Wertschätzung erfahren. Ihre Mitarbeitenden hätten Tausende von Dankesschreiben erhalten.

Leadership: Wecke die Kräfte in deinem Team

13

Sabine Keller-Busse muss als Chief Operating Officer der Grossbank UBS das Funktionieren der ganzen Organisation garantieren, in guten wie in schlechten Zeiten: Wie stelle ich sicher, dass die Bank ohne Unterbruch operativ bleibt? Wie halte ich einen hohen Kundenservice aufrecht und stelle die Sicherheit der Mitarbeitenden sicher, die auf der ganzen Welt verteilt sind? Und das in einem Unternehmen, das als systemrelevant gilt und deshalb funktionieren muss? Die UBS schickte ihre Mitarbeitenden früh und zu über 80% ins Home-Office. Hier hätten sich laut Keller-Busse die jährlich über 3,5 Milliarden Franken Investitionen in die IT-Systeme ausbezahlt. Zudem habe man in den letzten Jahren intensiv Rollen ins Unternehmen zurückgeholt, könne sich auf eigene Service-Center abstützen und sei damit weniger abhängig von externen Dienstleistern. Firmenkunden habe man im Rahmen des Kreditprogramms des Bundes viel Liquidität zur Verfügung stellen können, und das in hoher Geschwindigkeit, auch dank der Unterstützung durch Bots. Auch hier hat die frühe Digitalisierung Früchte getragen. Die UBS hat innert kürzester Zeit 24 000 Kreditanträge bearbeitet. Bei UBS haben sich letztlich die etablierten und jährlich geübten

Krisenmanagement-Prozesse nun in der Führung während einer grossen Krise ausbezahlt.

In Zahlen ausgedrückt bestätigen die Teilnehmerinnen und -teilnehmer die Aussagen: Ein Drittel hat Kommunikation ganz oben auf der Prioritätenliste, jeder zehnte setzt auf flexible Mitarbeitende und jeder zwanzigste auf eine stabile Infrastruktur. Jeder achte sagt ganz simpel, man soll Ruhe bewahren. Zuoberst aber steht ein Punkt, der banal tönt, aber in der Krise essenziell ist: Genügend Liquidität haben!

14

Leadership: Wecke die Kräfte in deinem Team

LEARNINGS

Gute, enge und vertrauensvolle Kommunikation mit Kundinnen und Kunden und Mitarbeitenden.

Wecke den Tiger im Unternehmen: Ermächtige die Mitarbeitenden.

Ohne genügend Liquidität geht gar nichts.

Was war in der Krise am Wichtigsten?

Genügend Liquidität

41%

Gute Kommunikation intern und extern

28%

Ruhe bewahren

14%

Flexible Mitarbeitende

7%

7%

Funktionierende Lieferketten

3%

Gute IT-Infrastruktur

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

50%

0%

25%

75%

100%

Leadership: Wecke die Kräfte in deinem Team

15

Flashlight: Schweden

• 90% der Belegschaft in Kurzarbeit • 300 SAS-Mitarbeitende sofort einsatzfähig

16

Leadership: Wecke die Kräfte in deinem Team

In Schweden stellten sich die Verantwortlichen der Fluggesellschaft SAS im März die Frage, was passiert, wenn sie 90 Prozent der Belegschaft in Kurzarbeit schicken. Sie beschlossen, mit Hilfe von Expertinnen und Experten die Kabinen-Besatzungen in einer Schnellbleiche über 3,5 Tage zu Hilfs-Pflegerinnen auszubilden. Schliesslich brachten die Flugbegleiter bereits Grundkenntnisse für Notfälle an Bord mit. Hunderte von SAS-Mitarbeitende wollten mittun, 30 kamen als Pilotversuch schon zwei Wochen nach Einführung der Kurzarbeit in den Genuss der Ausbildung. Innert zwei Monate waren weitere 300 SAS-Mitarbeitende einsatzfähig. Innert kürzester Zeit kamen weitere Mitarbeitende aus dem Hotel- und Restaurant-Sektor dazu. Mittlerweile gibt es ein ähnliches Programm für Hilfslehrerinnen und -lehrer. Möglich machte dies unter anderem auch die engen Kontakte innerhalb der schwedischen Wirtschaft und Gesellschaft.

Quelle: https://www.imd.org/research-knowledge/articles/How-reskilling-can-soften-the-economic-blow-of-COVID-19

Leadership: Wecke die Kräfte in deinem Team

17

18 Wieviel Staat soll es sein?

18

Wieviel Staat soll es sein?

01

02

Die Schweizer Regierung habe aus einer Mischung von Angst und Kreativität heraus gehandelt, er sei positiv überrascht. Das sagt Peter A. Fischer, Leiter des einflussreichen Wirtschaftsressorts der ansonsten eher staatskritisch eingestellten NZZ. Die Aussage gilt allerdings nur für die Anfangsphase. Die Regierung habe beim Start des Lockdowns ihre Stabilisierungsmassnahmen “vernünftig eingesetzt ” . Rudolf Minsch als Vertreter von Economiesuisse – die Organisation ist auch nicht unbedingt als staatsnah bekannt – lobt die ersten Massnahmen der offiziellen Schweiz ebenfalls, dazu auch die Schuldenbremse und den gut ausbalancierten Staatshaushalt. Erst dadurch seien die Massnahmen überhaupt tragbar. Minsch kritisiert aber die Regierung, wie Peter A. Fischer auch, weil sie zu spät von der Bremse gegangen sei. Ein Teilnehmer mit indischem Hintergrund, aber mit Sitz in der Schweiz, lobte hingegen die Schweizer Politik ganz grundsätzlich: Keiner der führenden Politiker – im Unterschied zu vielen anderen Ländern – habe die Krise zum eigenen Profit ausnützen wollen. Es sei um das Land und nur um das Land gegangen. Die Parteichefin der Freisinnigen Partei der FDP. Die Liberalen Schweiz (FDP), Petra Gössi, erlebte die Krise im politischen Zentrum der Schweiz. Doch ihr Handlungsraum war über gewisse Zeit eingeschränkt, denn das Parlament war lange nicht handlungsfähig. Alle Kompetenzen lagen beim Bundesrat. Grundrechte wurden eingeschränkt. Die Kommunikation in den Parteien und mit der Bevölkerung war massiv gestört. Politisch sei die Krise eine grosse Herausforderung gewesen. Petra Gössi

Es lohnt sich, einen funktionierenden Staat zu haben, und zwar für alle, für Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. Weder ein ultraliberaler noch ein sozialistischer Staat hätten so vernünftig handeln können. 04 Die Politik und die Verwaltung müssen überprüfen, wieviel Vorsorge notwendig ist, was und wieviel zum Beispiel in den Pflichtlagern vorhanden sein muss.

Es braucht in der Politik einen Digitalisierungsschub, auch um sie auch in Krisen handlungsfähig zu erhalten.

03 Das Risikomanagement muss gestärkt werden. Es wird immer wieder Krisen geben. 05 Und ganz wichtig: Die Krisenbewältigung wird eine hohe Belastung für die nächste Generation bedeuten. Diesen Generationen müsse man eine Perspektive geben, nicht nur Schulden übergeben.

Wieviel Staat soll es sein?

19

hat daraus fünf Lehren gezogen: Arturo Bris, Professor für Finanzen am IMD, warnt vor den politischen Herausforderungen in den nächsten Monaten: Kleine Ökonomien seien zwar oft erfolgreich, aber die Schweiz als Staat habe nicht den Schutz einer grossen Organisation wie etwa der EU wie andere kleine Nationen. Das Land müsse also um die Anbindung kämpfen und sich nicht isolieren. Einzelne Teilnehmende warnten vor zuviel Staatsintervention, jetzt wie später. Andere hingegen ging dieser Antagonismus zu weit: Es gehe nicht um Wirtschaft gegen Bevölkerung, die beiden gehörten in der Schweiz zusammen. Allerdings wünscht man sich mehr von dieser radikalen Schlankheit, die der Staat in der Krise bewiesen habe, ein Überdenken der Regulierungen, mehr Flexibilität. Und vielleicht brauche es halt doch ein Impulsprogramm nach dem Kreditprogramm.

Hans Hess, Präsident von Swissmem, dem Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie warnte hingegen vor zuviel Direktunterstützung durch den Staat: Man müsse den Wandel zulassen, auch wenn seine Branche jetzt gerade schwer leide durch fehlenden Bestellungseingang, Zahlungsausfälle, Lieferschwierigkeiten. Letztlich liege es in erster Linie an den Unternehmern selbst, einen Weg aus der Krise zu finden. Auch Wirtschaftspublizist Peter A. Fischer mahnt die Gefahr an, dass mit dem Kreditprogramm nicht wirklich zielgerichtet Unternehmen gestützt werden und so notwendiger Strukturwandel gebremst oder gar verhindert werde. Trotzdem sind 3 von 4 der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Meinung, die Staatseingriffe seien gut und angemessen. Nur 3 von 10 unter ihnen haben dabei selber auf Staatshilfe zurückgegriffen, zurückgreifen müssen.

LEARNINGS

In der Krise braucht es auch einen starken Staat.

Die Eingriffe sollten so kurz und so klein wie notwendig sein.

Die Schulden aus der Krise sollten nicht nachfolgenden Generationen aufgebürdet werden.

20

Wieviel Staat soll es sein?

Wie schätzen Sie die Eingriffe und Angebote des Staates ein?

Angemessen

Sehr gut

Übertrieben

Neutral

12%

14%

21%

53%

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

Haben Sie Staatshilfe (direkte Zahlung, Kredite etc.) in Anspruch genommen?

38%

3%

59%

Ja

Nein

Prüfe noch

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

Wieviel Staat soll es sein?

21

22

Hilft Familie in der Krise?

Familienunternehmen machen einen beachtlichen Teil der Schweizer Wirtschaft aus. Mehr als zwei Drittel aller KMUs sind in Familienbesitz. Peter Vogel, Professor für Family Business & Entrepreneurship des IMD, macht sechs Punkte aus, die Familienunternehmen auszeichnen und sie dabei auch krisenresistenter machen:

01

02

03

LANGFRISTIGES DENKEN UND HANDELN: Für Familienunternehmen sind 25 Jahre dasselbe, was in einem börsenkotierten Unternehmen ein Quartal ist. Sie denken wirklich langfristig.

FINANZIELLE STABILITÄT: Familienunternehmen sind im Schnitt weniger verschuldet und damit finanziell unabhängiger.

EMOTIONALE BINDUNG: Die emotionale Bindung der Besitzerinnen und Besitzer zum

Unternehmen ist in der Regel sehr viel höher als in nicht-Familienunternehmen. Das heisst, dass in Krisen alle die Ärmel hochkrempeln.

04

05

06

SOZIALES ENGAGEMENT UND PHILANTHROPIE:

SOLIDE WERTE UND LOYALITÄT: Auch das Wertesystem zwischen Besitzer-Familien und Mitarbeitenden ist tragfähiger. Das heisst, die Loyalität der Eigentümer zur Belegschaft ist hoch, genauso wie umgekehrt die von den Mitarbeitenden zu den Besitzern.

UNTERNEHMERTUM: In Familienunternehmen regiert grosser Unternehmergeist. Das umfasst auch die Fähigkeit, sich immer neu zu erfinden und unternehmerische Chancen in den Krisen wahrzunehmen.

Familienunternehmen sind oft stark eingebettet in ihr gesellschaftliches Umfeld, was zu verstärktem sozialem Engagement führt. Es gibt also auch eine gesellschaftliche Loyalität.

Hilft Familie in der Krise?

23

Doch in dieser Krise reichen diese Stärken alleine nicht aus, meint Vogel. Denn gleichzeitig stecken fast alle Unternehmen in der vierten industriellen Revolution und damit in einer digitalen Disruptionsphase. Die Herausforderungen seien in der Krise besonders gross und diejenigen Unternehmen, welche sich bereits vor Jahren digital transformiert haben, werden gestärkt aus der Krise herauskommen. Rudolf Minsch, Chefökonom von Economiesuisse, erinnert an die Binsenwahrheit: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Das gelte für den Staat, aber eben auch für Unternehmen. Und gerade Familienunternehmen seien tendenziell solider und langfristiger finanziert. IMD-Professor Peter Vogel riet den Besitzerinnen und Besitzern, sich nicht zu scheuen, Hilfe von aussen zu holen. Zum Beispiel mit unabhängigen Verwaltungsrats- mitgliedern. Es ist entscheidend,

Führungspositionen zukunftsorientiert und hochkarätig besetzen, denn die früher in KMUs typischen “Rubberstamp Boards” reichen heutzutage nicht mehr aus. Und in der Krise sei es bei Nicht-Inhaber- geführten Unternehmen wichtig, die Kommunikation zwischen Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Besitzerfamilie inklusive Nachfolge- generationen intensiv zu betreiben. Oft führten solche Krisen auch zu einer Beschleunigung in der Nachfolgefrage. Wie auch in allen anderen Unternehmen empfiehlt sich auch bei Familienunternehmen der intensive Einbezug der Mitarbeitenden, um das Wissen von der Front noch besser zu nutzen, einen Bottom-up-Ansatz zu verfolgen und die Mitarbeitende gerade auch in Familienunternehmen zu ermächtigen. Die Teilnehmer von SEF.Interaktiv sind laut Umfrage ganz klar derselben Meinung: Familienunternehmen sind besser gerüstet, die Herausforderungen einer Krise inklusive Lockdown und der langfristigen Folgen zu meistern.

LEARNINGS

Familienunternehmen haben meist eine solidere Finanzbasis.

Die langfristigere Ausrichtung hilft Familienunternehmen, die Krise besser zu meistern.

Ausserordentliche Ereignisse beschleunigen auch in Familienunternehmen grundsätzliche Fragen wie die der Nachfolge.

dass Familienunternehmen ihre Verwaltungsräte und

24

Hilft Familie in der Krise?

Wer konnte den Lockdown besser meistern?

Inhabergeführte Unternehmen

Manager-geführte Unternehmen

92%

8%

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

Wer ist besser aufgestellt, um die Krise langfristig zu meistern?

15%

Publikumsunternehmen

Familienunternehmen

85%

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

Hilft Familie in der Krise?

25

26

Schnell mit frischen Ideen aus der Corona-Krise Case-Study: Wie MBA-Absolventen einemKMU helfen konnten Von Arnaud Chevallier, IMD-Professor für Strategie

Agathon ist als Schweizer Unternehmen in der Herstellung von Schleifmaschinen tätig. Der 2019 beschlossene Wachstumskurs kammit dem Ausbruch der Corona-Pandemie zu einem jähen Halt. Doch es gibt Chancen. Eine Gruppe MBA-Absolventinnen und -Absolventen suchte mit der Führungscrew des Unternehmens nach einem Ausweg. Gestützt auf das breite Fachwissen und den internationalen Hintergrund der Beteiligten erarbeiteten sie Lösungen, die alle Schlüsselbereiche des Unternehmens berühren und einen Weg aus der Krise zeigen.

Top- Qualität in einer “Nische der Nische” Agathon, ein Familienunternehmen mit über 100 Jahren Geschichte, hat seinen Sitz in Bellach, Kanton Solothurn. Das Unternehmen ist weltweit führender Hersteller von Hightech-Schleifmaschinen für Wendeschneidplatten im Mikrometerbereich und beschäftigt 230 Mitarbeitende. Wendeschneidplatten werden für die Herstellung von Hochpräzisionsteilen wie Waschmaschinen und Flugzeugmotoren eingesetzt. Der zweite Geschäftsbereich des Unternehmens ist die Herstellung und den Vertrieb von Normteilen für den Maschinen- sowie den Werkzeug- und Formenbau. Agathon ist vorwiegend in Westeuropa tätig, hat aber auch in die USA, nach Japan und China expandiert.

Breite Fachkenntnisse und strukturierter Prozess

Mitglieder beteiligt. Auf Seiten des IMD arbeiteten 29 Teilnehmende des Programms der Global Management Foundations (GMF), bestehend aus Executive MBA-Kandidaten, in sieben Teams unter der Leitung der Professoren Albrecht Enders und Arnaud Chevallier.

Im Jahr 2019 beschloss Agathon eine Wachstumsstrategie. Nach ersten vielversprechenden Reaktionen im Markt haben die Kundinnen und Kunden seit März wegen der Pandemie ihre Budgets gekürzt und Ausgaben gestoppt. Deshalb erwartet das Unternehmen für 2020 einen empfindlichen Umsatzrückgang. Angesichts der enormen Unsicherheit muss Agathon nun entscheiden, ob es den ursprünglich eingeschlagenen Weg fortsetzen oder den Kurs ändern soll. IMD und Agathon taten sich deshalb zusammen, um Empfehlungen für das weitere Vorgehen zu erarbeiten. Bei Agathon waren der CEO sowie zwei weitere C-Level-

Schnell mit frischen Ideen aus der Corona-Krise

27

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des GMF-Programms sind Führungskräfte aus einem breiten Spektrum von Branchen, Regionen und Fachrichtungen. Das Programm wendet rigorose Auswahlkriterien an und nimmt nur Führungskräfte aus der Wirtschaft auf, die über ein grosses Potenzial verfügen. Das Training in strategischem Denken hilft den Teilnehmenden, um Struktur auch in das Agathon-Projekt zu bringen. Der systematische Prozess steckt den Rahmen ab, erstellt eine Diagnose, definiert mögliche Lösungen, wählt daraus die beste Lösung und versucht dann, die Auftraggeber zu überzeugen. In nur neun Tagen waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in der Lage, so die komplexen Probleme von Agathon zu verstehen, konkrete Lösungen vorzuschlagen, die kreativ sind und sich dennoch auf klare Fakten stützen.

28

Schnell mit frischen Ideen aus der Corona-Krise

Annahmen prüfen und neue Wege eröffnen Wichtig ist die Festlegung der Kriterien, um Lösungen überhaupt zu bewerten. Dies kann intern schwierig sein, da Führungskräfte oftmals zu stark in ihre Betriebsbereiche involviert sind, um die nötige Distanz zu haben. Die Projektteams holten deshalb Meinungen von Agathon ab und einigten sich auf gewichtete Kriterien, die den Prioritäten von Agathon wirklich entsprachen. Dazu gehörten die Schnelligkeit und Einfachheit der Implemen- tierung, die Ertragsgenerierung, die Kosten und der Grad der Risikoreduzierung.

§ Eine der vielversprechendsten

§ Ein weiterer Vorschlag ist, die Website von Agathon in eine fortschrittliche digitale Plattform umzubauen, die den Kundenbedürfnissen und -anfragen besser gerecht wird.

Lösungen für Agathon ist, sich von der reinen Bereitstellung von Maschinen, Dienstleistungen und Ersatzteilen weg zu orientieren und sich stärker am Kunden zu orientieren. Das könnte eine intensive Analyse jeder einzelnen Phase der Customer Journey sein, um dabei mögliche Verbesserungen und neue Einnahmemöglichkeiten zu identifizieren, die zu einem Wettbewerbsvorteil führen könnten. § Eine andere praktikable Lösung sieht vor, vermehrt innovative Technologien in die von Agathon hergestellten Teile zu integrieren. Dies könnte die Interaktion mit den Kunden erleichtern und die Produktionszeit verkürzen.

§ Die Rekrutierung von zusätzlichem Personal an wichtigen Standorten

könnte ebenfalls die Kundeninteraktion und den Verkauf fördern.

Schnell mit frischen Ideen aus der Corona-Krise

29

Frischer Wind und frisches Denken Die Führungskräfte von Agathon waren beeindruckt und begeistert von diesen und vielen weiteren im Rahmen des Programms entwickelten Empfehlungen. “Das Programm hat meine Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern sogar übertroffen ” , meinte CEO Michael Merkle. “Man spürte eine enorme Kreativität, viel Struktur und zahlreiche praktische Lösungen, die schnell umgesetzt werden konnten.” Die Führungskräfte des Unternehmens waren der Ansicht, dass der Prozess in zweierlei Hinsicht hilfreich war. Zuerst einmal, dass eine Gruppe begabter Führungskräfte, die in strukturiertem Denken geschult waren, in sehr kurzer Zeit eine Serie innovativer Wege nach vorn entwickelten, was intern nur schwer möglich gewesen wäre.

“Wir kennen unsere Branche, wir kennen unsere Lösungen”, sagte CEO Michael Merkle. “Aber wir suchten nach neuen Lösungen, die wir noch nicht auf dem Radar hatten”, so Merkle. Einige von ihnen hätten die Überlegungen des Unternehmens bestätigt, während andere neue aufregende Möglichkeiten boten. Der Strategieentwurf ist oft der einfachere Teil des Prozesses; die Umsetzung hingegen fordert eingehendere Definition und Planung von kurz-, mittel- und langfristigen Massnahmen. Dies geschieht mit einem detaillierten Umsetzungsplan.

30

Schnell mit frischen Ideen aus der Corona-Krise

FAZIT

Die Pandemie hält die Weltwirtschaft weiterhin in Atem. Der Fall Agathon zeigt, wie branchenfremde Manager in ihrer Weiterbildung schnelle und pragmatische Lösungen entwickeln können, die einem KMU neue Wege aufzeigen. So kann es seine Strategie dennoch umsetzen und hoffentlich das angestrebte zweistellige Wachstum erreichen.

Schnell mit frischen Ideen aus der Corona-Krise

31

32

Schneller und wendiger

Die Schweiz ist erfolgreich und sehr kompetitiv, sie steht auf Rang 3 des World Competitiveness Indexes von IMD (siehe Flashlight). Die Schweiz wird jedoch laut Arturo Bris, Professor für Finanzen und Direktor des IMD World Competitiveness Center, nur ganz an die Spitze vorstossen können, wenn sie in Sachen Agilität und Geschwindigkeit zulegt. Für Peter Vogel, Professor für Entrepreneurship am IMD, ist zentral, wie man aufgestellt ist in einem Moment, wo sofort global alles stillsteht. Dadurch unterscheidet sich ja diese Krise von allen anderen zuvor. Zentral ist die Abwehrkraft: Hat man Reserven oder segelt man hart am Wind und setzt auf ein Schönwettermodell? Dabei sollte eigentlich immer der Kunde im Mittelpunkt stehen. Eine kürzlich publizierte Studie des Prüfungs- und Beratungsunternehmens PwC weist deutlich auf den Erfolgsfaktor Kundenzentrierung hin. Aber oft sehen Unternehmen die Kunden nur als Absatzmarkt. Oder quetschen ihr Business-Modell aus, bis es nicht mehr geht. Eine Krise wie die des Corona-Virus legt alle Versäumnisse brutal offen. Dann stellt sich die

Frage, wie schnell man reagieren kann. Ziel müsste es eigentlich immer sein, zusammen mit den Kunden Lösungen zu entwickeln. Ein gutes Beispiel ist die Wilhelm Schmidlin AG aus dem Kanton Schwyz. Urs Wullschleger ist gemeinsam mit seinem Bruder Geschäftsführer und Inhaber. Als sie das Familienunternehmen vor 13 Jahren in der 3. Generation übernommen haben hätten sie sich Gedanken gemacht, wie man sich vom Markt abheben könne, um auch resistenter gegen eine allfällige Krise zu sein. Seine Firma könne heute Bade- und Duschwannen sowie Lavabos statt nur in Standardgrössen auch als Einzelstücke exakt auf Mass herstellen und sehr kurzfristig und äusserst zuverlässig liefern, etwas, was die Konkurrenz gar nicht anbietet. Das sei ein entscheidender Wettbewerbsvorteil, welcher nur dank der Produktion in der Schweiz möglich sei. Diese Agilität und Schnelligkeit helfe nun Schmidlin auch in dieser Krise, weil beim Kunden dank dem offensichtlichen Mehrwert der Massanfertigung mit kurzer Lieferfrist der Preis eine etwas untergeordnete Rolle spiele. Die SEF-Interaktiv-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer sind sich einig: Agilität ist

entscheidend. Dafür solle man aber alle Stakeholder-Gruppen einbeziehen, um die besten Lösungen zu finden. Das Geschäft komplett aus Kundensicht zu analysieren sei wichtig, dann könne man sich auch wirklich auf die Kundinnen und Kunden ausgerichtet aufstellen. Nur so kann man schneller und einfacher werden. So bereite man sich sozusagen jetzt auf die nächste Krise vor. Urs Wullschleger gibt den Teilnehmern gleich noch einen Tipp auf den Weg in die Zukunft: Wenn man keine spezielle Idee für die Weiterentwicklung des eigenen Business Modells habe, so helfe es, wenn man wenigstens die Prozesse so optimiert, dass man schneller und agiler als die Konkurrenz sei. In der Selbsteinschätzung geben sich die

SEF-Unternehmerinnen und -Unternehmer in Sachen Agilität und Geschwindigkeit eine Note zwischen genügend und gut. Es gibt also tatsächlich noch Einiges zu tun. Und auch in Sachen Business Modell: Die Hälfte denkt, dass sie ihr Geschäftsmodell anpassen muss .

Schneller und wendiger

33

Auch beim Finanzmanagement brauche es Agilität, weil auch hier der Cash-Flow, gerade auch über die Grenzen hinweg, ins Stocken geraten kann. Hier habe das Kreditprogramm des Bundes sicher unterstützend helfen können. Und schliesslich auch Agilität im Digitalen. Viele Unternehmen waren nicht wirklich vorbereitet gewesen, sowohl intern wie die Kunden. Da habe man im Eiltempo aufholen müssen. So begann eine Immobilienfirma damit, ihre Kundinnen und Kunden in Sachen Online online auszubilden. Auch hier führt die Krise zu einem digitalen Schub – und zu Mehrumsatz in der IT-Branche, wie Unternehmerinnen und Unternehmer aus dieser Branche bestätigen. Sollte nicht auch der Staat agiler werden? Immerhin wird in einer WEF- Studie immer wieder die Schwierigkeit von “doing business” in der Schweiz angemahnt. Das Kreditprogramm hat ja gezeigt, dass es schlank und rank laufen könnte. Nein, winkt Simon Jäggi vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)

ab, das sei eine Ausnahmesituation gewesen. Er reflektiert über andere Massnahmen: Solle man Zölle & Gebühren senken? Das würde Hans Hess sehr begrüssen: Die alten Zöpfe wie industrielle Einfuhrzölle müssten abgeschnitten werden.

LEARNINGS

Wer agil und schnell ist, ist weniger dem Preiswettbewerb ausgesetzt.

Schweizer Unternehmen können noch agiler werden und müssen ihr Business Modell überdenken.

Der Staat ist nur in der Krise agil.

34

Schneller und wendiger

Wie schätzen Sie die Reaktionen der Schweizer Unternehmen auf die Corona-Krise in Bezug auf Agilität und Geschwindigkeit ein?

10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

6.6 Durchschnittliche Bewertung

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

Wie wird sich Ihr Business-Modell mit der Krise verändern?

50%

43%

7%

Muss angepasst werden

Ist gleich geblieben

Wird sich komplett verändern

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

Schneller und wendiger

35

Hans Hess, Präsident von Swissmem, sagt, man müsse vieles überdenken, auch Lieferketten. Allerdings glaube er nicht an das Ende der Globalisierung. Die Unternehmen müssen ein Gleichgewicht finden zwischen Kundennähe, Kosten und Produktionssicherheit. 40% der SEF-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer sind sich einig: Die Lieferketten müssen überdacht werden, breiter abgestützt sein, und ja, dazu gehöre auch mehr Lagerhaltung, auch wenn das etwas Mehrkosten verursache. Hingegen denkt kaum jemand über Verlagerungen ins Ausland nach. Ein gutes Beispiel dafür ist Jura, der Kaffeemaschinen- hersteller: Der verzeichnete in den ersten Monaten von 2020 ein Plus von 25% zum Vorjahr. Das war aber nur möglich, weil das Unternehmen mehrere Lieferketten hatte, so dass die Produktion auch funktionierte, wenn es in einer der beiden stockte. Flashlight: Lieferketten

Überlegen Sie, ob Sie nach der Krise einen oder mehrere Standorte Ihrer Unternehmung ins Ausland verlagern möchten?

96% Nein

4% Ja

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

36

Die Zukunft ist düster – aber nicht für uns

Überlegen Sie, ob Sie nach der Krise einen Teil der Lieferketten/Lager näher zu den eigenen Standorten verlagern wollen?

40%

Ja

Spielt bei mir keine Rolle

30%

30%

Nein

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

Was zählt nun nach der Krise?

55% Innovativ sein und neue Produkte/Dienstleistun gen anbieten

24% Chancen nutzen und Geschäft zügig ausbauen

14% Alles neu denken

7% Ruhe bewahren und abwarten, wie sich alles entwickelt

Umfrage von SEF.Interaktiv Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Juli 2020

Die Zukunft ist düster – aber nicht für uns

37

Flashlight: IMD World Competitiveness Report

• Singapur bleibt auch

dieses Jahr an der Spitze

38

Schneller und wendiger

Die Business School IMD vergleicht jedes Jahr alle Länder weltweit in Sachen Wettbewerbsfähigkeit. Einerseits werden Unternehmerinnen und Unternehmer zu ihren eigenen Ländern befragt, andererseits harte Fakten miteinander verglichen. Singapur bleibt auch dieses Jahr an der Spitze, vor Dänemark, das vom achten auf den zweiten Platz springt. Das Land treibt die Umwandlung der Wirtschaft Richtung grün stark voran. Die Schweiz landet auf Platz drei, dank seiner starken Wirtschaft und der guten Infrastruktur, aber auch dank einer effizienten Regierung. Alle Resultate finden sich hier.

Quelle: https://worldcompetitiveness.imd.org/rankings/WCY

Schneller und wendiger

39

40

Die Zukunft ist düster – aber nicht für uns

Selten war der Blick in die Zeit, die vor uns liegt, so unklar. Die Zukunft liegt sozusagen im Nebel. Niemand weiss, wie sich das Virus entwickeln wird, gerade im Hinblick auf die kältere Jahreszeit, wenn auch noch die Grippe zurückkommen wird. Wann gibt es eine Impfung gegen Covid19? Wie sehen die nächsten Infektionswellen aus? In der Schweiz? In Europa und der Welt? Eines ist für alle Beteiligten von SEF.Interaktiv klar: Es darf keinen zweiten Lockdown geben. Die Schäden wären verheerend. Auch in Bezug auf die Zukunft gibt es zwei Sichtweisen: Einerseits hat sich die Binnennachfrage schnell erholt, ja, es sind sogar Aufholeffekte feststellbar. Aber nicht nur NZZ-Wirtschaftschef Peter A. Fischer warnt vor einer Konkurswelle im weiteren Verlauf des Jahres. Die Schweizer Wirtschaft sei auf den Aussenhandel angewiesen, und wenn sich die Wirtschaft in anderen Ländern nicht erhole, treffe dies auch die Schweiz. FDP- Nationalrat Christian Wasserfallen wie auch Hans Hess rechnen auch im 3. und 4. Quartal ziemlich sicher mit starken Einbrüchen in den Exportsektoren. Einzig China zeigt eine etwas schnellere Erholung.

Wasserfallen wie Hess mahnen deshalb an, die Schweiz müsse mit Investitionen in gute Rahmenbedingungen wie Aus- und Weiterbildung und Technologien der Zukunft wie zum Beispiel 5G reagieren. Auf einen Innovationsschub in den Unternehmen zu zählen ist riskant. Viele stellen sich zurzeit die Frage, wie sie investieren sollen, wenn sie kein Geld verdienen. Auch bei den kleinen und mittleren Unternehmen macht man sich Sorgen: Die eigentliche Krise liege noch vor ihnen. Das sehen auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an SEF.Interaktiv so. Nach ihnen sind gerade diese Unternehmen am meisten durch die Krise und ihre Folgen gefährdet. Denn was komme, werde noch viel schwieriger sein. Es drohe unter anderem eine grosse Entlassungswelle. Nicht zu Unrecht. Die Experten von BAK Economics rechnen im Juli, dass bis Ende Jahr nochmals 95 000 Stellen verloren gehen werden.

Das werde auch sozial zu einer schwierigen Situation führen. Habe die Schweizer Regierung eigentlich ein “worst case”- Szenario, fragten sich einige? Da hakt Christian Wasserfallen ein. Ihm gefällt insbesondere die internationale Entwicklung nicht. Zurecht: die Sommer-Prognose der EU-Kommission ist düster. Sie rechnet für den EU-Raum mit einem Minus-Wachstum von 8,3 Prozent. Mitten in der Krise waren es “nur ” minus 7,4% gewesen. Wasserfallen wünscht sich deshalb, dass die Unternehmen – er selbst sitzt selbst in Gremien von verschiedenen Firmen – ihre Lieferketten wieder näher zu Europa verschieben und – soweit es geht – Alternativen aufbauen. Gerade auch in Schlüsseltechnologien wie z.B. der Herstellung von Batterien sollte eine Priorität eingeräumt werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwarten in der Umfrage eine neutral-negative Entwicklung in den nächsten 12 Monaten für die Schweiz. Nur gut jede und jeder Zehnte schaut optimistisch ins nächste Jahr. Erstaunlich aber: Die eigene berufliche Zukunft sehen die Befragten deutlich positiver (siehe Grafik).

95000 Stellen gehen bis Ende Jahr verloren.

Die Zukunft ist düster – aber nicht für uns

41

Auch für Economiesuisse-Vertreter Rudolf Minsch ist klar: Die nächste Krise kommt bestimmt. Die Schweiz habe jedoch schon viele Krisen erlebt, die Erfahrung mit Schocks helfe, besser mit solchen Entwicklungen umgehen zu können. Was ihm Sorgen macht, sind die Schuldenberge, sowohl von Staaten wie von Unternehmen. In den Voten gibt es durchaus konkrete Ideen, was sich in Zukunft ändern muss. Zum Beispiel Home-Office: Bei der UBS geht man, laut Chief Operating Officer Sabine Keller- Busse, davon aus, dass mehr Mitarbeitende in Zukunft teilweise und flexibler von zu Hause aus arbeiten. Es ist vorstellbar, dass sich das bis zu einem Drittel der Belegschaft summiert. Viele Teilnehmende finden denn auch, die Schweiz müsse mehr tun in Sachen Cyber- Sicherheit, wenn immer mehr Leute im Home- Office arbeiten. Innovation in den digitalen Umbau, aber auch Schutz der digitalen Infrastruktur müssen von der Politik und der Wirtschaft in Angriff genommen werden. Was passiert, wenn die Arbeitswelt neu aussieht, dezentral organisiert ist? Da

entstehen andere, neue Arbeitsmodelle. Dafür müsse auch das Arbeitsrecht angepasst werden. FDP-Präsidentin Petra Gössi nimmt die Empfehlungen gerne auf. Es stimme, diese neue Welt sei auch eine Herausforderung für die Politik. Nicht nur für sie: Sabine Keller-Busse stellt sich zum Beispiel die Frage, wie Unternehmen in einer Home-Office-Welt alle Mitarbeitende gleich behandeln könne, von der Kommunikation mit ihnen bis zur Weiterbildung. Was bedeutet eine solche neue Welt für den Staat? Man müsse physische Staatsgrenzen vergessen und sich Gedanken über virtuelle Grenzen machen, je nach Gefahrenlage, um etwa auch Probleme mit Grenzgängern besser bewältigen zu können, falls es zu neuen Infektions-Ausbrüchen komme, wird empfohlen. Was trotz Ungewissheit bleibt, ist eine positive Grundstimmung: Man müsse jetzt das Momentum zur Veränderung nutzen, den Fuss nicht vom Gas nehmen. Es entstehe möglicherweise auch ein neuer Lebensstil, und den gelte es zu antizipieren.

42

Die Zukunft ist düster – aber nicht für uns

LEARNINGS

Die Schweiz alleine kann es nicht richten. Die Zukunft ist genauso von der wirtschaftlichen Entwicklung im Ausland abhängig.

Die neue Arbeitswelt mit viel Home-Office bedingt neue Schutz- Mechanismen für Mitarbeitende und Infrastruktur.

Der Worst Case wäre ein zweiter Lockdown.

Die Zukunft ist düster – aber nicht für uns

43

“Wir müssen uns noch viel stärker mit den Kundenbedürfnissen auseinandersetzen!” 44

Albrecht Enders ist Professor für Strategie und Innovation am Institute for Management Development (IMD) und Mitglied der Geschäftsleitung. Er war mitbeteiligt an der Konzeption und Durchführung von SEF.Interaktiv. Er sieht die Schweizer Wirtschaft gut gerüstet, um die Krise zu meistern, aber auch viel Potenzial, das es zu nutzen gilt. Albrecht Enders, wie gut schlägt sich eigentlich die Schweiz und ihre Wirtschaft in dieser Corona-Krise aus Ihrer Sicht? Albrecht Enders: Also, ich bin schon sehr beeindruckt. Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen funktioniert genauso wie die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Staat. Das Land ist klein, die Menschen halten zusammen und versuchen sehr pragmatisch durch diese Krise zu kommen. Was fiel Ihnen positiv auf? Ob hier beim IMD, wo ich auch in der Geschäftsleitung bin, oder bei anderen Unternehmen, in die ich reinsehe – es wurde und wird agil und schnell reagiert. Und zwar nicht nur etwa im Top-Management. Da kommen Ideen durchaus auch aus der Mitarbeiterschaft. Auch hier beim IMD: Wir sind heute eine komplett andere Organisation als vor sechs Monaten. An die Programme, die jetzt Standard sind, hätten wir vor sechs Monaten nicht einmal gedacht! Das ist ein Kompliment nicht nur an die Geschäftsleitung, sondern auch an die Mitarbeitenden, die viele Ideen eingebracht haben. Was sehen Sie als Negativpunkt? Die Schweiz ist immer noch sehr teuer! Das ist eine Thematik, wo wir mit dem Rücken zur Wand stehen im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz, die mit ganz anderen Kostenstrukturen arbeiten kann. Für jede Organisation, wie das IMD auch, die zu hiesigen Kosten produzieren muss, hat sich diese Problematik mit der Krise nochmals verschärft. Umsomehr sehe ich es positiv, wie schnell und innovativ die Unternehmen sich gewandelt haben. Sie haben in einer Case Study Empfehlungen für ein Schweizer Unternehmen, dem Schleifmaschinen-Hersteller Agathon AG in Bellach, durch MBA-Absolventen bei IMD erarbeiten lassen. Was ist deren wichtigste Empfehlung? Grundsätzlich ging es darum, wie man an den Markt geht, mit Kundinnen und Kunden kommuniziert. Und darüber hinaus ganz wichtig: Wie man über die aktuellen Anwendungen hinaus in neue Bereiche gelangen kann. Es ist ja so, dass die Anwendungsmöglichkeiten für die Schweizer Hochpräzisionstechnik viel breiter sind, als das die Hersteller sich vorstellen können. Man muss sich da überlegen, mit wem man zusammenarbeiten will, um diese neuen Anwendungen herauszufinden.

Interview

45

Wie kam das Projekt zustande? Wissen Sie, das war auch wieder so eine Schweizer Sache: Dank den MBA-Absolventinnen und -absolventen konnte ein Mittelständler, bei dem ich selbst im Verwaltungsrat tätig bin, auf das Wissen von hervorragenden Studenten aus der ganzen Welt zurückgreifen – und das innert zwei Wochen. Es ist für die Teilnehmer eine herausragende Erfahrung und für Agathon sehr gewinnbringend. Gibt es ein Kernpaket an Empfehlungen, was ein Unternehmen in dieser Krise tun kann und soll? Mir scheint, dass wir uns viel intensiver mit den Kundinnen und Kunden und ihren Bedürfnissen auseinandersetzen müssen. Aber auch, wie wir einem breiteren potenzielle Kundenpool unsere Produkte und unsere Innovationen sichtbar machen können und nicht einfach nur auf die internen oder externen Kundenvertretern vertrauen – also breiter rangehen an den Markt, das ist ein Punkt, der für viele Unternehmen gilt. Wir müssen, müssen – auch bei IMD! – unsere Marken mit positiven Aspekten wie Leadership und Innovation aufladen, sodass draussen im Markt sofort an uns gedacht wird, wenn ein Thema aus unserem Tätigkeitsbereich aufkommt. In der Initiative SEF.Interaktiv waren die Teilnehmenden für die Schweizer Wirtschaft skeptisch, was die nächsten 12 Monate betrifft. Gleichzeitig waren die gleichen Befragten optimistisch, was ihre eigene Zukunft betrifft. Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch? Das hat schon mit den Innovationen zu tun, die viele Unternehmen aufgegleist, die neue Produkte, neue Marktsegmente und neue Herangehensweisen entwickelt haben. Deshalb gehen die Unternehmer von einer steilen Wachstumskurve bei sich aus. Wobei: wenn man sieht, welche Umsatzeinbrüche viele erlebt haben, da braucht es schon viel, um wieder auf die vorherigen Umsatzziele zu kommen. Wenn sie sechs Monate nur rumgesessen hätten, wären sie sicher nicht so positiv. Die Grundstimmung bei SEF.Interaktiv war ja, dass die Krise auch einen Kick geben kann, was Agilität und Veränderungs- geschwindigkeit betrifft. Sehen Sie dies auch so? Es gibt dazu noch keine Studien in der aktuellen Situation, aber die Schweizer Unternehmen stehen seit Jahren unter Druck, ihre Premiumpositionierung beweisen zu müssen. In der Corona-Krise war etwas anders: wir hatten Zeit. Vorher waren ja alle am Anschlag – und plötzlich verkaufte sich nichts und man hatte Zeit, nachzudenken, wie man die Kundschaft künftig angehen kann. Für Innovation braucht man einen freien Kopf, da war die Corona-Zeit sehr zuträglich. Das gilt auch für mich: Ich bin morgens um sechs in den Bergen gewandert und habe über den

46

Interview

Made with FlippingBook flipbook maker